Art brut. Ein besonderer Dialog mit der Sammlung Würth

Die Ausstellung Art brut. Ein besonderer Dialog mit der Sammlung Würth im Ersteiner Würth-Museum öffnet eine Tür zu einer außergewöhnlichen Kunst. Diese „Kunst der Außenseiter“ entstand zunächst in psychiatrischen Einrichtungen und wurde darauf bei Autodidakten entdeckt, die oft am Rande der Gesellschaft lebten.

Die Ausstellung zeigt mit etwa 50 Art-brut-Künstlern, die auch als Autodidakten bezeichnet werden, einen umfassenden Zeitraum vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute. Ein solcher individueller künstlerischer Ausdruck keimt meist auf dem Boden sozialer, emotionaler oder wirtschaftlicher Isolation; diese Künstlerinnen und Künstler gehörten nie bewusst einer Künstlerbewegung oder Gruppe an. Die Zeichnungen, Bilder und Kollagen, die in einem psychiatrischen und prekären Kontext entstanden, sind von einem starken inneren Bedürfnis beseelt und erweisen sich, einem selbstverordneten Heilmittel gleich, als existentielle kreative Handlungen und als singuläre Selbstzeugnisse.

Berits zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden diese Werke von kundigen Ärzten in psychiatrischen Einrichtungen bemerkt und gesammelt. In den 1920er Jahren interessierten und faszinierten sie die Surrealisten, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden sie von der Nazi-Ideologie vereinnahmt und dienten der Propaganda um die „entartete Kunst“. Erst 1945, nach Ende des verheerenden Weltkriegs, theoretisierte der Künstler Jean Dubuffet den Begriff „Art brut“ mit dem Ziel, den Kunstbegriff an sich zu hinterfragen. Seitdem wurden andere Bezeichnungen erdacht und diskutiert: Art singulier, Kunst außerhalb der Normen, Outsider Art oder auch Volkskunst.

Diese autodidaktischen Künstler zogen nicht nur Ärzte und Sammler in ihren Bann, sondern auch zahlreiche moderne und zeitgenössische Künstler, fasziniert von einem kreativen Prozess, der offenbar keinen kulturellen Vermächtnissen, Ausbildungszwängen oder dem Streben nach Anerkennung ihrer Kunst unterlag. Das Museum Würth veranschaulicht diesen Einfluss, indem es fast 20 Werke aus der Sammlung Würth – von Max Ernst über Arnulf Rainer, Pablo Picasso, Asger Jorn bis Georg Baselitz – mit über 100 Werken der Art Brut zusammenbringt, die alle aus privaten Sammlungen stammen. Die Ausstellung ist nicht nur eine einmalige Gelegenheit, eine verborgene und intime Welt zu entdecken, die unbestritten in jedem von uns mitschwingt, sondern zelebriert auch die Inklusion der Andersartigkeit in all ihren Formen.

Sammlung Würth

Georg Baselitz

Ira, 1986
Huile sur toile,
162 x 130 cm
Sammlung Würth, inv. 11389
© Georg Baselitz 2022
Photo : Jochen Littkemann, Berlin

Gisela Doermer

Anna, Tante Hanne, Wera, u. a., 1999
Crayons de couleur et encre de Chine sur papier,
55,5 x 41,5 cm
Sammlung Würth, inv. 5336
Photo : Peter Falk, Schwäbisch Hall

Jean Dubuffet

La dame blanche, 1952
Huile sur bois
75 x 60 cm
Sammlung Würth, inv. 10667
© ADAGP, Paris 2022
Photo : Archiv Würth

Privatsammlungen

Anonyme (Léonie)

Dans les cols désastreux la folie en montre à la raison, 18.01.1914
Pastel, crayons de couleurs et fusain sur papier                                     63 x 49 cm
Collection privée, courtoisie galerie J.-P. Ritsch-Fisch, Strasbourg            Photo : Thierry Ollivier

Dunya Hirschter

Sans titre, 1990-2008
Coton, laine, peau de mouton et perles brodées sur gilet en coton et fils de laine brodés et assemblés sur jupe en laine
58 x 53 cm (gilet) et 99 x 61 cm (jupe)
Collection privée, courtoisie galerie J.-P. Ritsch-Fisch, Strasbourg
Photo : Thierry Ollivier

Johann Hauser

L’oiseau éléphant, sans date
Mine de plomb sur papier
67 x 59 cm
Collection Graffe
© Privatstiftung-Künstler aus Gugging
Photo : Frédéric Dehaen

Henry Darger

Jenny and Her Sisters are Nearly Run Down by Train…, sans date
Aquarelle et crayon sur papier,
45,7 x 61 cm
Collection Graffe
© 2022 Kiyoko Lerner
Photo : Frédéric Dehaen